titel pulsprivat 7 normalisiert. All das sind Indikatoren für Entspannung. Der Aufenthalt in der Natur – wenige Minuten können schon rei- chen – verbessert unsere Konzentration und hebt die Stim- mung. Naturerlebnisse machen uns sozialer, toleranter und steigern die Frustrationstoleranz. Geheimnis der Erholung | An Belegen dafür, dass die Natur eine positive Wirkung auf uns hat, mangelt es nicht. Umso schwerer tun sich die Expertinnen und Experten mit Erklä- rungen, was es genau ist, das uns entspannt. Breit abgestützt sind die Erkenntnisse der beiden Psychologen Rachel und Stephen Kaplan von der Universität Michigan, die seit mehr als 30 Jahren auf dem Gebiet der Umweltpsy- chologie forschen. Sie haben vier Kriterien ausgemacht, die eine Umgebung erfüllen muss, um entspannend zu wirken. k „Alltags-Ferne“ Erst wenn es uns gelingt, die Alltags- pflichten zur Seite zu legen und uns von unseren Sorgen zu lösen, können wir uns richtig erholen. Dazu genügt der Park um die Ecke, die Allee voller Bäume, eine Bank am See. „Persönliche Merkmale, insbesondere Kindheits- erfahrungen, spielen eine wichtige Rolle bei der Wirkung der Natur“, sagt die Umweltpsychologin Nicole Bauer. Je wichtiger einem als Kind der Wald war, desto besser wird man sich als Erwachsener darin erholen. „Bedürfnis-Orientierung“ Nach Rachel und Stephen Kaplan erholen wir uns dann am besten, wenn wir in einer Umgebung das finden, was wir im entsprechenden Moment suchen: Ruhe, eine schöne Aussicht oder die Möglichkeit zum Spazierengehen. „Faszination“ Wenn uns eine Umgebung fasziniert, erholen wir uns leichter. Hier gelingt der Natur etwas Paradoxes: Sie zieht uns mit sanfter Ästhetik in ihren Bann – mit einem Sonnenuntergang, mit Wolkenfiguren am Himmel oder mit einer Blumenwiese – und strengt uns dennoch nicht an. „Weite“ Die Natur öffnet Raum und Weite für Gedan- ken, für kreative Lösungen, für Spinnereien, für den plötzlichen genialen Einfall. Anders als etwa ein Muse- um, das uns mit jedem Kunstwerk ein wenig mehr ermü- det. Rachel und Stephen Kaplan unterscheiden diese Art der willkürlichen, gezielten Aufmerksamkeit des Alltags beispielsweise in einer Galerie von der unwillkürlichen, spontanen Aufmerksamkeit, die die Natur in uns auslöst und die so entspannend wirkt. k k k Grün beruhigt | Es ist erstaunlich: Schon der Blick auf Wasser kann ausreichend sein, um für ein Gefühl der Ausgeglichen- heit zu sorgen. Auch die Farbe Grün hat auf Menschen eine beruhigende Wirkung. So haben in einer im Juli 2018 in Eng- land durchgeführten Meta-Studie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Norwich Medical School den lang- fristigen Effekt des Grüns auf Menschen dargestellt. Ausge- wertet wurden 140 empirische Studien, an denen insgesamt 290 Millionen Menschen aus 20 Ländern teilgenommen haben. Als Fazit haben die Forscher eine ganze Palette von Krankheiten benannt, auf die ein Aufenthalt in freier Natur oder im Stadtgrün nachhaltig heilend oder gesundheitsför- dernd wirkt. Oft reicht es also schon aus, sich einen kleinen Spaziergang zu gönnen. Natur hilft | Wenn jemand unter (chronischen) Schmerzen leidet oder einen körperlichen Heilungsprozess beschleuni- gen möchte, hilft es ihm bzw. ihr allein schon, etwas Natur zu sehen. Schon 1984 wurde in der Science, einer naturwis- senschaftlichen Fachzeitschrift, eine durchschlagende Studie von Professor Roger Ullrich veröffentlicht, die eine besondere Heilkraft der Natur belegt: Allein der Ausblick aus dem Fens- ter eines Krankenzimmers hinaus ins Grüne und auf Bäume hatte das Schmerzempfinden der Patientinnen und Patienten nach einer Operation so verringert, dass sie weitaus weniger Schmerzmittel benötigten und eine deutlich beschleunigte Heilung beobachtet wurde. Eine Erklärung für diese Phäno- mene ist, dass der Blick auf Natur und vor allem auch der di- rekte Aufenthalt in der Natur mit natürlichem Licht zu einer vermehrten Ausschüttung von Serotonin führt. Das Hormon wirkt im Zentralnervensystem und hemmt unter anderem die Übertragung von Schmerzimpulsen. Natur entspannt | Die Wissenschaft befasst sich seit Jahr- zehnten mit der Frage, wie die Natur auf unsere Psyche wirkt. Zu den Pionieren des Fachs gehören Forscherinnen und For- scher in den USA. Ursprünglich wollten sie herausfinden, wie Wege und Übernachtungsmöglichkeiten in amerikanischen Nationalparks angelegt werden müssen, damit die Besucher sich wohlfühlen und möglichst zahlreich wiederkommen. Später weitete man das Forschungsgebiet aus. Das Ergebnis war immer dasselbe: Die Natur tut uns gut. Ablesen lässt sich diese Wirkung daran, dass Blutdruck und Puls sinken, unser Herzrhythmus flexibler auf Belastung reagiert und sich der Anteil des Stresshormons Cortisol im Blut oder Speichel